Welche Merkmale hängen mit schulischer Leistung zusammen?
Schulische Leistung gilt als wichtiger Faktor für den weiteren (beruflichen) Lebenslauf und Erfolg der Zukunft. Darum kommt oft die Frage auf, welche Einflussfaktoren dazu beitragen, dass sich Kinder und Jugendliche in ihrer Schulleistung unterscheiden. Bisherige Forschungsergebnisse zeigten einen bedeutsamen Zusammenhang von kognitiven Fähigkeiten, Gewissenhaftigkeit und der positiven Einschätzung der eigenen Fähigkeiten mit schulischer Leistung.

Kognitive Fähigkeiten werden in der Regel mit klassischen Intelligenztests gemessen und stehen in starkem Zusammenhang mit schulischer Leistung. Darüber hinaus können auch Persönlichkeitsmerkmale die schulische Leistung vorhersagen. In der weiterführenden Schule ist vor allem Gewissenhaftigkeit die Persönlichkeitseigenschaft, die am relevantesten für Schulleistung in Form von Schulnoten ist. Unter Gewissenhaftigkeit werden Eigenschaften wie Leistungsstreben, Selbstdisziplin und Pflichtbewusstsein zusammengefasst. Die Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten steht ebenfalls in Verbindung mit der tatsächlich gezeigten schulischen Leistung. Wenn die eigenen Fähigkeiten positiv eingeschätzt werden, kann sich dies förderlich auf die Lernmotivation und schließlich auch auf die Schulleistung auswirken.

Alexandra Starr und Rainer Riemann untersuchten mithilfe der TwinLife-Daten die gemeinsamen genetischen und umweltbedingten Faktoren hinter der Verbindung von kognitiven Fähigkeiten, Gewissenhaftigkeit und der Fähigkeitsselbsteinschätzung mit der schulischen Leistung. Ziel dieser Studie war es, mehr über Unterschiede in schulischer Leistung und die zugrundeliegenden Faktoren herauszufinden. Das ist hilfreich, um die Ursachen sozialer Ungleichheit besser verstehen zu können und so langfristig effizientere Maßnahmen zu ergreifen, um sozialer Ungleichheit entgegenzuwirken.


Wie bereits durch bestehende Forschungsergebnisse gezeigt, sind zwischenmenschliche Unterschiede in den drei Eigenschaften jeweils zu einem großen Teil auf genetische Unterschiede sowie auf Unterschiede in den individuellen Umwelterfahrungen der Zwillinge zurückzuführen. Hingegen sind Faktoren der familiären Umwelt, die von allen Familienmitgliedern geteilt werden, weniger bedeutsam. Der Zusammenhang der drei Eigenschaften mit schulischer Leistung konnte auch anhand der TwinLife-Daten bestätigt werden. Es sind vor allem gemeinsame genetische Einflüsse, die den Zusammenhang erklären können. Das gilt auch für die Bedeutung der positiven Einschätzung der eigenen Fähigkeit für Schulleistung. Oftmals wird angenommen, dass Fähigkeitsselbsteinschätzungen einzig durch die Sozialisation und verschiedenste gemeinsame Umwelterfahrungen der Zwillinge geprägt werden und darum auch selbst als Umwelteinfluss auf schulische Leistung wirken. Tatsächlich sind jedoch in erster Linie gemeinsame genetische Grundlagen von Fähigkeitsselbsteinschätzungen und Schulleistungen für den Zusammenhang verantwortlich. Außerdem zeigte sich, dass der genetische Einfluss in der Regel mit dem Alter ansteigt.

Das heißt aber nicht, dass schulische Leistungen bereits bei der Geburt vorbestimmt sind, denn auch der genetische Anteil wird durch die soziale Umwelt und individuelle Erfahrungen darin über die Lebensspanne vermittelt (sogenannte Gen-Umwelt-Interaktion). Während der Einfluss der Gene auf Unterschiede in Schulnoten bei einem Anteil von etwa 43 % bei den 11-jährigen und ca. 50 % bei den 17-jährigen liegt, sind vor allem spezifische, nicht-geteilte Umwelteinflüsse in ähnlichem Maße relevant. Die Ergebnisse bestätigen die Bedeutsamkeit der drei Eigenschaften (kognitive Fähigkeiten, Gewissenhaftigkeit und positive Einschätzung der eigenen Fähigkeiten) und zeigen, dass sie auch zusammengenommen je einen eigenen Anteil an den Unterschieden in schulischer Leistung erklären können. Die Befunde können dazu beitragen, Unterschiede im Bildungserfolg besser zu verstehen. Ein ausgeprägteres Bewusstsein für insbesondere auch intrafamiliäre Unterschiedlichkeit ist hilfreich bei der Entwicklung von effektiven sozialpolitischen Maßnahmen und schulischen Interventionen zur Verringerung von sozialer Ungleichheit.

Zur Publikation:
Starr, A. & Riemann, R. (2022). Common genetic and environmental effects on cognitive ability, conscientiousness, self-perceived abilities, and school performance. Intelligence, 93, 101664. https://doi.org/10.1016/j.intell.2022.101664

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